Dienstag, 2. November 2010

Das Trockene Auge erklärt - Teil 2: Ursachen

Die Ursachen des Trockenen Auges sind vielfältig und bestimmen die Veränderungen am Auge. Allen Formen des Trockenen Auges gemeinsam ist eine Konzentrationszunahme des Tränenfilms (erhöhte Osmolarität) und eine Tränenfilminstabilität. Die Konzentrationszunahme des Tränenfilms verursacht Schäden der Augenoberfläche und löst eine Entzündung aus. Diese Veränderungen bewirken das Absterben der Oberflächenzellen wie auch der wichtigen schleimproduzierenden Becherzellen, was dazu führt, dass der Tränenfilm zusätzlich instabil wird.
Die Schmerzen beim Trockenen Auge entstehen, indem durch die Trockenheit, das Absterben der Oberflächenzellen und die vermehrte Reibung die Nerven in der Hornhaut stimuliert werden. Dieser Schmerzreiz bewirkt kompensatorisch einen häufigeren Lidschlag und/oder eine vermehrte Tränenproduktion. In den Anfangsstadien des Trockenen Auges kann dies zu einem tränenden Auge führen.
Die Hauptursachen von Tränenfilmstörungen sind eine verminderte Tränenproduktion bzw. (wesentlich häufiger) vermehrte Verdunstung bei nicht optimaler Tränenfilmzusammensetzung.

In der Praxis sind es also vor allem Störungen der Ölschicht, welche ein Trockenes Auge auslösen. Studien zeigten, dass etwa 75% der Patienten an einer Störung der Ölschicht,  etwa 10% an einer Störung der wässrigen Schicht und ca. 40% an kombinierten Störungen leiden. Dies ist auch ganz klar mein Eindruck in der Praxis. Viele Patienten kommen mit isolierten oder kombinierten Störungen der Ölschicht, was den Therapieansatz deutlich verändern kann, weg von den (zu) häufig genutzten Tränenersatzmitteln.
Störungen der Ölschicht treten auf, wenn die Drüsen an der Lidkante (Meibomdrüsen) erkrankt sind (Meibomdrüsendysfunktion) oder das Öl durch eine bakterielle Entzündung an der Lidkante (Blepharitis) zu stark zersetzt wird. Wird nicht mehr genügend Öl für den Tränenfilm produziert, können Umweltbedingungen mit geringer Luftfeuchtigkeit und hoher Luftströmung den Tränenfilm schneller zum Aufbrechen bringen. Dies zeigt sich darin, dass der Tränenfilm zum Beispiel im Haus noch hält, aber wenn man nach draussen geht, wo es kalt und windig ist, das Auge zu Tränen beginnt. Für eine Liderkrankung mit resultierendem Öldefizit ist in erster Linie eine Lidrandtherapie und in zweiter Linie eine Tränenersatztherapie angezeigt.

Eine verminderte Tränenproduktion und somit eine Störung der wässrigen Phase des Tränenfilms sehen wir gehäuft mit zunehmendem Alter. Es ist unklar ob die entzündlichen Veränderungen der Drüsen im Rahmen des Alterns ein normaler Alterungsprozess sind. Wir wissen allerdings, dass eine geringe Androgenkonzentration im Gewebe die Entzündung am Auge begünstigt.
Häufig finden sich wässrige Störungen des Tränenfilms bei autoimmunen Störungen wie dem Primären oder Sekundären Sjögren-Syndrom. Autoimmunerkrankung ist in der Medizin ein Überbegriff für Krankheiten, deren Ursache eine überschiessende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe ist. Beim "Primären Sjögren-Syndrom" kommt es in diesem Rahmen über kurz oder lang zu einer Zerstörung der Drüsen, die zur Tränenproduktion wichtig sind. Die Folge ist eine verminderte Produktion von Tränen mit dem Resultat eines Trockenen Auges - aber auch eines trockenen Mundes, da die Speicheldrüse ebenfalls betroffen ist. Zudem können die Nerven in der Tränendrüse geschädigt werden, was zur Folge hat, dass Informationen aus und zu der Tränendrüse nicht mehr optimal weitergeleitet werden können.
Gehäuft treten beim Sjögren-Syndrom zusätzlich Entzündungen der Blutgefässe und/oder Bluterkrankungen auf. Allerdings leiden nur ca. 1% der Patienten mit einem Trockenen Auge tatsächlich an einem Sjögren-Syndrom.

Als "Sekundäres Sjögren-Syndrom" bezeichnet man ein Trockenes Auge welches im Rahmen von anderen Autoimmunerkrankungen wie z.B. Gelenkrheuma, Systemischer Lupus Erythematodes, Sklerodermie, Dermatomyositis, etc... auftritt. Es gibt auch Autoimmunprozesse, die direkt an der Bindehaut des Auge auftreten. Diese Augenerkrankungen sind aber sehr selten in der täglichen Praxis zu sehen (Okuläres vernarbendes Pemphigoid, Lyell-Syndrom, Stevens-Johnson-Syndrom, Reiter-Syndrom, Graft-versus-Host-Erkrankung nach Transplantationen).

Auch durch narbige Veränderungen der Bindehaut im Zuge einer schweren Bindehautentzündung können die Tränendrüsenausführungsgänge vernarben. Somit kann kein oder nur noch wenig Sekret aus den intakten Drüsen abgegeben werden.

Schliesslich führt die chronische Augenoberflächenschädigung durch das Trockene Auge selbst zu einer Herabsetzung der Hornhautempfindlichkeit und in der Folge zu einer verminderten Produktion an Tränenflüssigkeit. Das Trockene Auge unterstützt sich sozusagen selbst. Eine ähnliche Herabsetzung der Hornhautempfindlichkeit findet sich auch nach refraktiven Eingriffen (LASIK-bedingtes Trockenes Auge), beim Tragen von Kontaktlinsen und chronischem Missbrauch von anästhesierenden Augentropfen.

Die Tränenfilminstabilität kann direkt aber auch durch einen Vitamin-A-Mangel, eine Augenallergie, Verwendung von Konservierungsstoffen in Augentropfen und Tragen von Kontaktlinsen ausgelöst werden. Vor allem das Tragen von Kontaktlinsen führt über kurz oder lang zu einer Störung des Tränenfilms, weil Kontaktlinsen das Auge auf verschiedene Art beeinträchtigen (s.o.) und mündet oft in einer Unverträglichkeit, die das Tragen von Kontaktlinsen verhindert.

Auch zahlreiche Medikamente verursachen ein Trockenes Auge. Bekannt ist dieser Effekt vor allem von angstlösenden Medikamenten (z.B. Benzodiazepine), Antidepressiva, Antiparkinsonmitteln, Medikamenten gegen Allergien, Anticholinergika, Blutdruckmedikamenten und einigen Vitamin-A-Abkömmlingen. Diese Medikamente einfach wegzulassen ist generell nicht angeraten und oft unmöglich, im Zweifelsfall muss man das zusammen mit dem Hausarzt abwägen.

Wenn Sie bis hier durchgehalten haben wissen Sie nun vor allem eines: Die Ursachen eines Trockenen Auges sind vielfältig! Das Risiko an einem Trockenen Auge zu erkranken, steigt zudem mit zunehmendem Alter, was epidemiologischen Studien deutlich zeigen. Mit 45 Jahren liegt das Risiko ein Trockenes Auge zu bekommen bei 5%. Sind Sie 65 Jahre alt so haben Sie schon ein 15%-Risiko ein Trockenes Auges zu entwickeln. 

Da die Ursachen so vielfältig sind, ist es jeweils sehr wichtig nach dieser Ursache zu fahnden. Ist die Ursache dann klar, so kann in der Regel eine deutlich bessere Behandlung die Folge sein.



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