In diesem Abschnitt stelle ich Ihnen vor,
wie ein Augenarzt zur Diagnose des Trockenen Auges kommen kann. Wie Sie sehen
werden, gibt es eine Vielzahl von Testmöglichkeiten - wobei die verschiedenen
Tests zusammenspielen. Oftmals prüft ein Test nur eine Komponente des
Tränenfilms und gibt somit nur über diesen kleinen Bereich Auskunft. Zudem
haben die meisten Tests eine grosse individuelle Schwankungsbreite, das heisst,
wenn Sie den Test zu verschiedenen Tageszeiten unter den gleichen Bedingungen durchführen,
haben sie zum Teil deutlich unterschiedliche Resultate. Man sollte sich also nicht
nur auf einen Test verlassen, sondern
es sollten immer verschiedene Tests durchgeführt werden. Geklärt werden müssen
zwei Kernfragen:
- Besteht ein Trockenes Auge?
- Welche
Schichten des Tränenfilms sind betroffen?
(Ölschicht, wässrige Schicht, Schleim-/Muzinschicht)
Krankengeschichte
Zentral in der Diagnostik des Trockenen
Auges sind die Beschwerden. Brennen, Fremdkörper-, Druck- und Sandkorngefühl,
Lichtscheu, Trockenheitsgefühl der Augen, paradoxes Tränen, schnelle
Ermüdbarkeit, Sehstörungen und chronische rote Augen sind typische Merkmale des
Trockenen Auges, mit welchen die Patienten in die Praxis kommen. Diese
Beschwerden werden häufig mittels Fragebogen erfragt und zeigen entgegen den o.g.
Tests eine gute Reproduzierbarkeit und sind somit eine gute Möglichkeit, um ein
Trockenes Auge zu erkennen.
Erfragt werden sollte zudem, ob die
Patienten an Gelenkrheuma, Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) oder einer Schilddrüsenerkrankung
leiden und ob sie Medikamente einnehmen, welche ein Trockenes Auge auslösen
könne. Es ist auch immer wichtig zu wissen, wann und unter welchen Bedingungen
die Beschwerden auftreten. Nicht selten lösen klimatisierte Räume oder starker
Wind und Kälte ein Trockenes Auge aus. Ich habe Patienten, die im Büro oder im
Labor wegen den klimatisierten Räumen kaum mehr arbeiten konnten. Wenn ein
Trockenes Auge ausschliesslich von einer Büroumgebung ausgelöst wird, spricht
man von einem „Office Eye Syndrom“. In meinem Blog werden Sie später noch davon
hören.
Eine Auswahl an Medikamenten, welche den
Tränenfilm beeinträchtigen können:
- Anticholinergika (bei Inkontinenz)
- Antihistaminika (bei Allergie )
- Betablocker (bei hohem Blutdruck)
- Antidepressiva (bei Depressionen)
- Antiparkinsonmittel (beim Morbus Parkinson)
- Zytostatika (bei Krebsbehandlung oder Rheuma)
- Augentropfen:
- Antiglaukomatosa (beim grünen Star (Glaukom))
- Konservierungstoffe (verhindern in den Augentropfen, dass sich Bakterien in der Flasche vermehren können)
Aufgrund der Befragung des Patienten weiss der Augenarzt nun über die Beschwerden Bescheid und bei bestehendem Verdacht auf ein Trockenes Auge wird er nun mit seinen Instrumenten das Auge genauer untersuchen.
Untersuchung der Lider und der Lidkante
Als nächstes wird der Augenarzt Sie ansehen und beurteilen ob die Lider korrekt zum Auge stehen und ob die
Lidbewegung bzw. das Blinzeln normal ist. Normal wäre es, wenn Sie ca. 15-20 Lidschläge pro Minutemachen würden. Wird zuviel oder zuwenig
geblinzelt, so resultiert dies immer in einer Störung des Tränenfilms und ein
Trockenes Auge kann die Folge sein.
An der Spaltlampe (eine Art Mikroskop, mit dem man einen spaltförmigen Lichtstrahl am Auge betrachtet) wird Ihr Augenarzt dann die vordere und hintere
Lidkante des Ober- und Unterlides nach geröteten, verdickten und vernarbten
Stellen absuchen. Zudem muss man darauf achten ob eine Schaumbildung am
Lidwinkel vorkommt. Diese Veränderung ist typisch, wenn Störungen der
Meibomdrüsen vorliegen. (Meibomdrüsen sind Talgdrüsen an der Lidkante, welche Ihr Öl durch Ausführungsgänge
auf die Lidkante abgeben und so für die Ölschicht des Tränenfilms verantwortlich sind.
Untersuchung
Bindehaut und der lidkantenparallelen konjunktivalen Falten (LIPCOF)
Zur Beurteilung der Bindehaut wird wieder
die Spaltlampe eingesetzt. Es wird nach Rötungen und Narben der Bindehaut
gesucht und insbesondere nach einer faltigen Bindehaut, einer typischen Veränderung beim Trockenen Auge. Bei diesen Falten (genau: lidkantenparallele konjunktivale Falten, LIPCOF) unterscheidet man vier Schweregrade:
- Grad I Keine permanent vorhandene lidkantenparallele Bindehautfalte
- Grad II Kleine, einfaltige lidkantenparallele Bindehautfalte, die wesentlich niedriger ist als ein normaler Tränensee
- Grad III Grosse lidkantenparallele Bindehautfalte, welche die Höhe eines normalen Tränensees weit übersteigt (in der Regel mehrfaltig)
- Grad IV Grosse lidkantenparallele Bindehautfalte, welche die Höhe eines normalen Tränensees weit übersteigt und sich über die innere Lidkante hinweg bis zur äusseren Lidkante vorwölbt.
Untersuchung
des Tränensees
Der Tränensee wird ebenfalls mit der
Spaltlampe untersucht und kann mit dieser auch ausgemessen werden. Der
Tränensee gibt Auskunft über das Tränenvolumen und ob genügend Tränen gebildet
werden.
Tränen verteilen sich über das ganz Auge
und bilden am Unter- und Oberlid ein kleines Reservoir. 75-90% der Tränen
werden in diesem Reservoir gehalten. Der Rest verteilt sich über dem Auge und
bildet einen dünnen Film aus, den Tränenfilm. Die durchschnittliche Höhe des
Tränensees beträgt 0.18mm. In der Untersuchung des Trockenen Auges ist die
Beurteilung der Tränenseehöhe ein guter Hinweis für den Ausprägungsgrad eines
Trockenen Auges.
Untersuchung des Interferenzphänomens der Ölschicht
Mit der Spaltlampe wird die Untersuchung
fortgeführt. Mit dem Licht der Spaltlampe lässt sich ein Interferenzmuster (Interferenz beschreibt die
Überlagerung von zwei oder mehr Wellen) in der Ölschicht des Tränenfilms
erzeugen. Mittels dieser Technik entstehen je nach Dicke der Ölschicht
verschiedene Farbmuster, welche mittels der Spaltlampe beobachtet werden
können. Eine normale Ölschicht von 70–130nm weist unter diffuser Beleuchtung
ein Farbmuster von bläulich-rötlich und grauer Farbe auf. Ein Ölschicht von
mehr als 130nm zeigt ein überwiegend rotes Farbmuster, da die blauen
Wellenlängen sich auf Grund der Reflexion an Hornhaut und Ölschicht gegenseitig
aufheben. Mit dieser Methode kann die Dicke der Ölschicht grob abgeschätzt
werden. Ist die Ölschicht zu dünn so muss von einer Erkrankung der Meibomdrüsen
ausgegangen werden.
Inspektion der Tränenfilmaufreisszeit (TAZ) (auch:
Break-up-time, BUT)
Die TAZ wird ebenfalls an der Spaltlampe
geprüft und dient zur Beurteilung der Gesamtstabilität des Tränenfilms. Das
Aufreissverhalten des Tränenfilms hängt von der Zusammensetzung und der Oberflächenspannung
des Tränenfilms ab, sowie vom Zustand der Oberflächenzellen.
Die TAZ wird häufig mit Einbringen von
Fluorescein (fluoreszierender Farbstoff) in den Tränenfilm geprüft. Der Farbstoff wird ins Auge eingebracht und der nun fluorescierende Tränenfilm kann
mittels speziellem Filter an der Spaltlampe betrachtet werden. Der Patient wird
angehalten das Auge so lange wie möglich offen zuhalten, nachdem er ein- oder
zweimal geblinzelt hat. Bilden sich schwarze Stellen im fluorescierenden
Tränenfilm, so sind dies Stellen, wo der Tränenfilm bricht. Ist dieses Phänomen
innerhalb von 10 Sekunden nach dem letzten Blinzeln zu sehen, so muss von einer
Instabilität des Filmes ausgegangen werden. Dieser Test ist in der Kontrolle
von Trockenen Augenpatienten hilfreich und hat in der Praxis deshalb einen
hohen Stellenwert.
Schirmer-1-Test (ohne Oberflächenbetäubung der
Bindehaut)
Otto Schirmer führte den Test 1903 erstmals in die augenärztliche
Untersuchung ein, er dientder objektiven Messung der wässrigen Tränenproduktion. Hierbei wird ein 5mm breiter und 35 mm langer Filterpapierstreifen in den äusseren Lidwinkel in den Bindehautsack eingehängt. Nach 5 Minuten wird die Strecke abgelesen, die
die Tränenflüssigkeit im Papierstreifen zurückgelegt hat. Als krankhafte Werte betrachtet man in der Regel
eine Befeuchtungsstrecke unter 10mm. Der Schirmer Test
ist nicht leicht zu interpretieren, da grosse z.T. auch tageszeitliche
Schwankungen auftreten können, dennoch ist der Schirmer-1-Test sicher der am häufigsten
eingesetzte Test zur Prüfung eines Trockenen Auges. Er nimmt einen wichtigen
Stellenwert in der Diagnosestellung des Sjögren-Syndroms ein. Bei
dieser Erkrankung und anderen Autoimmunerkrankungen sind die Testwerte in der
Regel tief.
Schirmer-2-Test
Der Schirmer-II-Test wird wie der
Schirmer-I-Test durchgeführt. Unterschiedlich ist nur, dass vorgängig die
Bindehaut anästhesiert wird und erst nach 5 Minuten die Filterpapierstreifen
eingelegt werden. Wie beim Schirmer-I-Test werden die Streifen für 5 Minuten
belassen. Mit diesem Test wird die Tränenproduktion bei betäubter Bindehaut
gemessen; Werte unter 6 mm gelten als krankhaft. Wie beim
Schirmer-I-Test besteht eine grosse individuelle Schwankungsbreite.
Farnkrauttest
Der Farnkrauttest dient der qualitativen
Prüfung der Tränenflüssigkeit. Mittels eines Glasspatels werden Tränen aus dem
Bindehautsack auf einen Objektträger aufgetragen und bei Raumtemperatur trocknen
gelassen. Beurteilt wird nach ca. zehn Minuten unter dem Mikroskop das
Kristallisationsmuster (Farnkrautphänomen) der Tränenflüssigkeit. Grad I-II
findet sich häufig bei gesunden Menschen. Grad III-IV sehen wir häufig bei
Patienten mit einem Trockenen Auge.
- Grad I Farnkrautphänomen vollständig homogen, grossflächige ineinandergreifende Farne
- Grad II Kristallisationsmuster mit kleinen Lücken
- Grad III Kristallisationsmuster mit grossen Lücken und groben Farnen
- Grad IV kleine Strukturen, bestenfalls angedeutete Farne
Farnkraut Grad I |
Hornhautfärbung
mit Fluoreszein
Fluorescein, ein fluoreszierender Farbstoff,
kann durch eine defekte Oberfläche in den Zwischenraum der Zellen eindringen
und eine langanhaltende Färbung hervorrufen kann. Bei Gesunden findet man allenfalls
wenige feine punktförmige Abfärbungen im Bereich der Hornhaut. Bei krankhaften
Zuständen nehmen die Oberflächenschäden und somit die punktförmigen
Fluoresceinfärbungen der Hornhaut zu.
Fluorescein kann mittels Tropfen oder mit
einem Fluorescein getränkten, trockenen Papierstreifen ins Auge eingebracht
werden. Der Patient sollte dann zwei- bis dreimal blinzeln, damit sich der
Farbstoff gut auf der Binde- und Hornhaut verteilen kann.
Bindehautfärbungen
mit Lissamingrün
Lissamingrün ist ein synthetischer organischer Farbstoff, der auch als
Lebensmittelfarbstoff Verwendung findet. Ist die Bindehaut beim Trockenen Auge
geschädigt so färben sich die krankhaften Oberflächenzellen mit dem Farbstoff
an. Je mehr Farbstoff auf der Bindehaut hängen bleibt, um so mehr ist die
Bindehaut geschädigt.
Früher wurde häufig auch Bengalrosa verwendet, da dieses aber stark brennt und auch andre unerwnschte Eigenschaften hat, wird heute in der Praxis vielfach auf Lissamingrün als Färbemethode der Bindehaut zurückgegriffen.
Früher wurde häufig auch Bengalrosa verwendet, da dieses aber stark brennt und auch andre unerwnschte Eigenschaften hat, wird heute in der Praxis vielfach auf Lissamingrün als Färbemethode der Bindehaut zurückgegriffen.
Die Messung der Osmolarität
Seit kurzem gibt es Geräte, mit denen direkt in der Praxis die Osmolarität des Tränenfilms gemessen werden kann. Es werden von der
Lidkante wenige Nanoliter Tränenflüssigkeit aufgenommen und dann gemessen. Erhöhte Werte weisen auf einen konzentrierten Tränenfilm hin und gelten ab 308 mOsms/L als krankhaft.
Die Messung der Osmolarität gehört heute
zum Goldstandard in der Diagnostik des Trockenen Auges, weil die Messung sehr
genau und die Reproduzierbarkeit sehr gut ist.
Aber wie schon am Anfang angesprochen: Ein Test allein recht oftmals nicht aus um die Diagnose eines Trockenen Auges zu stellen. Auch
die alleinige Messung der Osmolarität ist nicht genügend!
Man muss bei der Diagnose des Trockenen
Auges nicht nur erkennen, dass es sich um ein Trockenes Auge handelt, sondern
eben auch versuchen herauszufinden, welche Schichten des Tränenfilms besonders
schlecht sind. Diese Erkenntnisse bestimmen ganz wesentlich die nachfolgende
Therapie.
Die oben angeführten Test sind sehr hilfreich um ein Trockenes Auge zu erkennen, die Störung zu lokalisieren und den Erfolg einer Therapie zu beurteilen. Da diese Tests sehr einfach sind, können sie leicht in jeder Augenarztpraxis Anwendung finden und verhelfen dem Patienten zu einer individuelleren und besseren Therapie.
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Die oben angeführten Test sind sehr hilfreich um ein Trockenes Auge zu erkennen, die Störung zu lokalisieren und den Erfolg einer Therapie zu beurteilen. Da diese Tests sehr einfach sind, können sie leicht in jeder Augenarztpraxis Anwendung finden und verhelfen dem Patienten zu einer individuelleren und besseren Therapie.
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