Montag, 12. September 2011

In eigener Sache (02): Neulich, im Restaurant

Vorwegschicken möchte ich, dass es selbstverständlich nicht meine Art ist, im Restaurant an den Nebentischen zu lauschen. Andererseits kommt man manchmal halt nicht umhin, mitzuhören - und wenn es dann um Augenheilkunde geht, dann hört man halt doch hin...

Wie auch immer, wir waren neulich schön essen und am Nebentisch waren drei Personen, ein älteres Ehepaar und eine jüngere Person. Irgendwann muss das Gespräch dann auf die üblichen Gebrechen des fortgeschrittenen Lebensalters gekommen sein, und der ältere Herr erzählte, dass er auch mit seinen Augen so Mühe habe.

Unterstützt von bestätigenden Einwürfen seiner Frau erzählte er, wie lästig doch das Tränen seiner Augen sei, das zeitweilige schlechte Sehen, das Jucken. Und vor allem im Winter oder beim Spazierengehen sei das verrückt, wie schnell das Tränen anfange. Sehr einschränkend und sehr störend.

Für mich war da schon mal ein Verdacht gegeben - eine Meibomdrüsendysfunktion ist sehr wahrscheinlich und sollte entweder ausgeschlossen oder behandelt werden.

Der Herr erzählte weiter, dass er seinen Augenarzt zu seinen Beschwerden konsultiert habe - nun wurde es interessant. Der Augenarzt habe ihm dann auch schnell gesagt, dass ein Grauer Star seinen Beschwerden zugrundeliege und nur eine Operation helfe.

Nun kann ein Patient im fortgeschrittenen Alter natürlich einen Grauen Star haben. Und dieser gehört, wenn er genügend ausgeprägt ist, auch operiert. Aber ein Grauer Star als Ursache für winterliches Augentränen? Hmmmm...

Der Patient selbst schien auch Zweifel zu haben. Er erzählte, sich auf jeden Fall eine Zweitmeinung einholen zu wollen und zwar, weil "sein" Augenarzt nicht selbst operiert, bei einem anderen Augenarzt, der dann im Zweifelsfall auch die Staroperation durchführen könnte.

Ich bin nicht sicher, ob der Weg dann wirklich zielführend ist. Die Frage für mich ist dann aber auch immer: Was macht man in einer solchen Situation? Macht man nichts, lässt man die Leute sehenden Auges ins Unglück rennen. Sagt man etwas ist klar, dass man (absichtlich oder nicht) ein halbprivates Gespräch belauscht hat.
Arzt zu sein hat so seine moralischen Fallstricke, wie auch George Bernhard Shaw schon wusste. Ich hatte mich auf jeden Fall dafür entschieden, höflich zu bleiben und mich nicht einzumischen...

Sonntag, 11. September 2011

Antiaging und Trockenes Auge

Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ansätzen, Patienten mit Trockenem Auge zu behandeln. Nahrungsergänzung ist dabei natürlich ein zentrales Thema. Die Behandlung des Trockenen Auges mit Omega-3-Fettsäuren praktiziere ich in meiner Praxis schon seit zahlreichen Jahren und mit der Wirkung der Omega-3-Fettsäuren bin ich mehrheitlich zufrieden.
Prof. Tsubota aus Japan geht noch einen Schritt weiter, er ist überzeugt, dass das Trockene Auge mit Mitteln des Antiaging verbessert werden kann.
Ich möchte Ihnen diesen Artikel nicht vorenthalten, nicht zuletzt weil ich beim TFOS-Kongress in Florenz Prof. Tsubota habe zu diesem Thema referieren sehen/hören und er das Thema mit sehr viel Energie, sehr lebendig und sehr interessant besprochen hat…

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung (bzw. ein Auszug) dieses Papers:
Tsubota K, et. al: The Era of Antiaging Ophthalmology comes of Age: Antiaging Approach for Dry Eye Treatment. Ophthalmic Res 2010;44:146-154



Einleitung

In der Augenheilkunde gibt es viel alterbedingte Erkrankungen wie z.B. Katarakt, Makuladegeneration, Glaukom, Pterygium (eine gutartige Bindehautveränderung), Bindehautfalten (Bindehautchalasis), diabetische Netzhauterkrankungen, Netzhautvenenverschlüsse, hängende Oberlider (Ptosis) und Trockenes Auge. Alle diese Erkrankungen machen 80% aller Augenerkrankungen aus. Alter ist somit ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Augenerkrankungen.
In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Erkenntnis zugenommen, dass die Kalorienreduktion(KR) die Lebensspanne von zahlreichen Tieren deutlich verlängern kann. Der wichtige Punkt in Bezug auf KR ist jedoch, dass auch altersbedingte Erkrankungen wie z.B. Krebs, Diabetes und/oder kardiovaskuläre Erkrankungen scheinbar verzögert oder gar behandelt werden können. Zusätzlich zur Theorie der Kalorienrestriktion gibt es auch noch die Theorie der freien Radikale welche ebenfalls eine Rolle bei Alterungsprozess spielen soll. Nach dieser Theorie können Alterungsprozesse über die Kontrolle der sogenannten „reactive oxygen species“ (ROS) beeinflusst werden.


CR Theorie

Die mittlere und maximale Lebensspanne von vielen Arten z.B. von Würmern, Nagetieren und Affen kann durch Kalorienreduktion bis zu 50% verlängert werden. Wie kommt dies? Scheinbar wirkt sich KR auf die Genexpression während des Alterns aus und führt zu einem gesünderen Leben. Bei der KR kommt es zu einer Unterdrückung des „Insulin-like“ Wachstumsfaktors/Insulinsignalen oder zur Aktivierung von Sirtuinmolekülen.


Somit führt KR zu einem besseren Gesundheitszustand und führt zu einem längeren Leben.
Da KR im Alltag schwierig zu befolgen ist, wird nach Wegen gesucht diese molekularen Effekte mittels KR-Mimetika (Mimetika = Medikamente, welche den gleichen Effekt haben, wie das ursprüngliche Produkt) zu erreichen. Mögliche KR-Mimetika sind verschiedene Arten von Polyphenolen wie z.B. Resveratrol, Quercetin und Butin. Resveratrol erhöht die Aktivität und Transkription von Sirtuins. Dieses interagiert mit verschiedenen Transkriptionsmolekülen welche den Antiaging-Effekt unterhalten. Es ist klar, dass beim Menschen die chronisch erhöhte Kalorienzufuhr über die Zeit ein Risikofaktor für verschiedene altersbedingte Erkrankungen (Diabetes, hoher Blutdruck, Herzerkrankung) ist. Gegenwärtig ist es noch nicht gänzlich geklärt, ob altersbedingte Augenerkrankungen durch KR verhindert werden können. Es scheint aber sehr wahrscheinlich zu sein.


Theorie der freien Radikale

Die Theorie der freien Radikale wurde als Hauptmechanismus des Alterungsprozesses gesehen. Die freien Radikale (ROS = reactive oxygen species) schädigen wichtige Zellmoleküle wie Proteine, Lipide und DNA. ROS werden in den Mitochondrien, im Zytoplasma und in extrazellulären Komponenten gebildet. Die Überproduktion von ROS in den Mitochondrien verkürzt das Leben von Würmern. Im Kontrast dazu kann eine Überproduktion von Superoxiddismutase (SOD) und Katalase, beides antioxidative Enzyme, die Lebenspanne von Drosophila (einer Fliegenart) und Mäusen verlängern. Die von den Mitochondrien produzierten ROS sind wichtig, nicht vernachlässigen darf man jedoch die durch Licht induzierten ROS. Der Alterungsprozess der Haut ist hauptsächlich durch Licht verursacht, ein Prozess der als „photoaging“ (Alterung der Haut durch Licht) bezeichnet wird. Beim „Photoaging“ der Haut sind ROS wesentliche Faktoren. Da Exposition zu Licht und ultraviolettem Licht Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer Katarakt und einer AMD sind, könnte Photoaging ein wichtiger Prozess bei den Alterungsprozessen am Auge sein. Nach der Theorie der Freien Radikale kann eine Kontrolle der ROS den Alterungsprozess verlangsamen und auch die altersbedingten Erkrankungen unterdrücken.


KR und Augenerkrankungen

Mehrere Studien haben sich mit den Effekten von KR bei Augenerkrankungen beschäftigt. Die meisten Studien bestätigen den positiven Effekt von KR in der Pathologie von Augenerkrankungen. Obwohl das KR-Konzept noch nicht häufig in der Prävention oder in der Behandlung von Augenerkrankungen angewendet wird, scheint es Potential zu haben.
Ein anderer Ansatz ist die Anwendung von Resveratrol für die Behandlung von Augenerkrankungen. Wir haben eine Pilotstudie durchgeführt, um zu sehen welche Effekte Resveratrol in einer durch Lipopolysaccharide ausgelöste Uveitis in Mäusen hat.
Unsere Daten bestätigen, dass Resveratrol die Aktivität von Sirtuin im Auge erhöht und Entzündung in der Netzhaut unterdrückt. Auch die Leukozytenadhäsion an die Blutgefässe wurde durch Resveratrol vermindert. Gegenwärtig wenden wir Resveratrol in einem Tiermodel für Trockene Augen an. Da Entzündung ein Hauptfaktor in der Pathogenese des Trockenen Auges ist, könnte dies ein neuer Zugang für die Behandlung des Trockene Auges, neben Cyclosporin A und anderen antientzündlichen Therapien, sein.


Oxidativer Stress und Augenerkrankungen

Der Zusammenhang zwischen oxidativem Stress und Augenerkrankungen ist in der Literatur gut belegt, besonders für AMD. Die grosse, doppelblinde, prospektive Studie über altersbedingte Augenerkrankungen (AREDS) zeigte einen positiven Effekt von Antioxidantien in der Unterdrückung der AMD. AMD wird gegenwärtig als Erkrankung gesehen, welche durch oxidativen Stress als auch Entzündung ausgelöst wird. Rauchen, erhöhter Body Mass Index, Sonnenexposition, Anhäufung von Eisen, Blei oder Kadmium sind Risikofaktoren, welche einen oxidativen Stress vermuten lassen und somit in die Ursache der AMD involviert sind. Giftige Schwermetalle scheinen für den Exzess an freien Radikalen wichtig zu sein und Verbindungen zu anderen altersbedingten Augenerkrankungen liegen vor, wie z. B. erhöhte Bleiwerte bei Glaukompatienten.
In der AREDS2-Studie (die bis ca. 2014 läuft) werden zusätzlich zu den Vitamine A, C, E, Zink und Kupfer auch die Substanzen Lutein und Zeaxanthin sowie Eicosapentaen- und Doxosahexaensäure (EPA/DHA) verabreicht. Von Lutein, Zeaxanthin und EPA/DHA wird ebenfalls erwartet, dass sie antioxidativ und antientzündlich sind. Hinweise dafür gibt es bereits.
In klinischen Arbeiten konnten wir zeigen, dass Tabakrauch Entzündung verursacht und damit ROS an der Augenoberfläche entstehen könne, was wiederum ein Trockenes Auge auslöst. Tabakrauch ist ein Risikofaktor für ein Trockenes Auge, möglicherweise durch den oxidativen Stress der durch den Rauch ausgelöst wird.
Die Häufigkeit des Trockenen Auges scheint vom Konsum von EPA/DHA abhängig zu sein. Die Einnahme von EPA scheint somit hilfreich in der Behandlung des Trockenen Auges zu sein.
Auch Lactoferrin, welches antioxidativ ist, ist ein wichtiger Bestandteil der Tränenflüssigkeit. Einnahme von Lactoferrin erhöht das Tränenvolumen und verbessert die Beschwerden des trockenen Auges. Andere Eiweiße in der Tränenflüssigkeit wie z. B. Präalbumin oder Selenoproteine scheinen ebenfalls wichtig in der Kontrolle des oxidativen Stresses an der Augenoberfläche zu sein.


Persönliche Erfahrung von Professor Tsubota

Während meiner Tätigkeit am „Massachusetts Eye and Ear Infirmary“ 1985 hat man mein Trockenes Auge entdeckt. Mein Schirmer-Test war zu jener Zeit, und auch in den folgenden Jahren sowie nach meiner Rückkehr nach Japan, in beiden Augen immer 0mm. Später fand ich heraus, dass meine Basalsekretion 0mm war und meine Reflexsekretion aber irgendwie erhalten blieb. Ich habe zwar an Augenmissempfindungen gelitten, habe aber gedacht, dass dies durch eine Überanstrengung der Augen zustande gekommen sei und durch richtige Anwendung von Augentropfen verbessert werden könnte.
Diese Erfahrung und Erkrankung motivierte mich, eine "Trockene Augen"-Gesellschaft in Japan zu gründen und wissenschaftliche Tätigkeit und Lehre aufzunehmen. Ich habe autologes Serum, Gläser zur Befeuchtung der Augen und Öltropfenanwendung für die Augen entwickelt und zwar um meinen Zustand des Trockenen Auges zu verbessern. Mein Schirmertest blieb aber bei 0mm und die Irritationen blieben bestehen. In 2001 gründete ich mit Kollegen die „Japanese Antiaging Society“ und zur gleichen Zeit begann ich selber damit, mich mit „Antiaging“-Medizin zu behandeln. Ich befolgte die grundlegenden Prinzipien und praktizierte KR, Einnahme von Nahrungsergänzungen und begann Sport zu treiben, was zu einer Verbesserung meiner körperlichen Parameter führte.
Zu meiner grossen Überraschung und Freude bemerkte ich auch, dass mein Trockenes Augen sich verbessert, mein Rückenschmerz beträchtlich abnahm und mein Gedächtnis sich verbesserte. Der Schirmertest verbesserte sich ebenfalls deutlich und zeigt heute 30mm in beiden Augen. Mein Augentropfenverbrauch hat sich von 50x/Tag auf 1-2x/Tag verringert.
Die Daten aus persönlichen Erfahrungen sind immer limitiert, aber ich bin zuversichtlich, dass das Trockene Auge mit einem Antiaging-Ansatz in der täglichen Praxis behandelt werden kann.

Die Rolle von Demodexmilben bei der Lidrandentzündung (Blepharitis)

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung (bzw. ein Auszug) dieses Papers:
Pathogenic role of Demodex mites in blepharitis, Jingbo Liu, Hosam Sheha, and Scheffer C.G. Tseng, Curr Opin Allergy Clin Immunol. 2010 October ; 10(5): 505–510.


Einleitung

Demodexmilben (Haarbalgmilben) sind häufige Hautparasiten. Mit dem Alter nimmt die Besiedlung zu und man geht davon aus, dass im Alter von 60 Jahren in 84% und im Alter von 70 Jahren in 100% eine Besiedlung mit Demodex vorliegt. Vor allem bei Rosacea findet sich eine grosse Dichte von Demodex, aber auch bei anderen Hauterkrankungen wie z.B. Pityriasis follikulorum, periorale Dermatitis, Scabies-ähnliche Eruptionen, Gesichtspigmentationen und mehr. Die klinische Bedeutung von Demodex wird immer noch debatiert, da trotz Besiedlung keine Beschwerden bzw. keine Lidrandentzündungen auftreten.


Demodexmilben beim Menschen

Demodexmilben werden unterteilt in Demodex folliculorum und Demodex brevis. Demodex folliculorum werden vor allem in den Wimpernfollikeln gefunden. Demodex brevis finden sich tief in den Talgdrüsen und in den Meibomdrüsen, wo sie nach Talg, ihrer Hauptnahrungsquelle, suchen. Es wurde ebenfalls diskutiert, ob sich die Milben allfällig von den Epithelien der Follikel und Drüsen ernähren, was dann zu einem direkten Schaden an der Lidkante führen könnte. Der Lebenszyklus der Milben ist in etwa 14-18 Tage vom Ei zum Larvenstadium, gefolgt von 5 Tagen im Erwachsenstadium. Weibliche Demodex leben nach der Eiablage noch 5 Tage länger. Da die erwachsenen Milben nur kurz leben, ist die Paarung ein wichtiger Aspekt bei der Demodexbesiedlung. Im Weiteren haben Demodex nur eine limitierte Lebensspanne ausserhalb des Körpers. In der Behandlung von Demodex ist es somit wichtig, sowohl die Paarung als auch die Übertragung von Mensch zu Mensch zu verhindern.


Das Risiko der Demodex-Lidrandentzündung (Blepharitis)

Es gibt eine enge Korrelation zwischen der Schwere der Rosacea und einer Demodexblepharitis. Die Rosacea prädisponiert Patienten zu einer Blepharitis durch das Verstopfen der Ausführungsgänge der Talgdrüsen und der damit verbundenen Umgebungsveränderung der Haut. Andere Faktoren können ebenfalls dazu beitragen, dass sich die Milben vermehren wie z.B. Hauttyp, Sonnenexposition, Alkoholkonsum, Rauchen, Stress, scharfe und würzige Speisen als auch plötzlicher Temperaturwechsel. Da die Lider selten täglich gereinigt werden, können sich die Milben hier besonders gut vermehren und ausbreiten. Anfällig für eine Milbenausbreitung und Vermehrung sind vor allem Patienten die lokal oder systemisch immunsupprimiert sind z.B. im Rahmen einer Cortisontherapie oder anderen Immunsupressiva oder welche an einer immunsupprimierenden Erkrankung wie z.B. Leukämie oder HIV leiden.


Krankheitshergang

Die Demodex-Blepharitis kann in vordere und hintere Blepharitis unterteilt werden. Die vordere Blepharitis ausgelöst durch D. folliculorum betrifft vor allem die Wimpern und Follikel der Wimpern. Die posteriore Blepharitis ausgelöst durch D. brevis zeigt sich durch einen Befall der Meibomdrüsen (Lidkantendrüsen welche die Ölschicht des Tränenfilms bilden)

Direkter Schaden durch den Parasiten
Demodexmilben, besonders D. folliculorum, konsumieren Zellen des Haarfollikels, was zu einer Aufblähung des Haarfollikels und zu einer Lockerung oder Fehlstellung des Haarfollikels führt. Mikroverletzungen durch die Milbe können dazu führen, dass die Hautzellen um den Haarfollikel sich vermehren und verhornen. Dies wird sichtbar durch die typischen zylindrischen Ablagerungen an der Basis der Wimpern. Im Weiteren kann D. brevis mechanisch die Ausführungsgänge der Meibomdrüsen verstopfen, was zu einer Meibomdrüsendysfunktion und zu einem Öldefizit im Tränenfilm führen kann. D. brevis sitzt in der Regel tief in den Meibomdrüsen und sein Chitinpanzer kann als Fremdkörper wahrgenommen werden und in der Folge eine Entzündungsreaktion auslösen. Demodexmilden können daher auch Ursache für immer wiederkehrende Chalazien (Gersternkörner) sein.

Wegbereiter für Bakterien
Demodexmilben können eine Blepharitis auslösen, indem sie auf ihrer Oberfläche Bakterien (Streptokokken und Staphylokokken) an die Lidkante bringen. Zudem tragen sie nicht selten auch Bakterien im Körper mit, welche dann ihrerseits eine Immunreaktion (Entzündung) auslösen können.

Hypersensitivitätsreaktion
Die Proteine im Inneren der Demodexmilben, ihre Trümmer oder Abfälle, können über eine verzögerte Überempfindlichkeit oder eine angeborene Immunantwort eine entzündliche Reaktion im Wirt auslösen.


Manifestationen

Die Hauptbeschwerden eines Demodexbefalls sind Jucken, Brennen, Fremdkörpergefühl, Krusten und Rötung im Lidrandbereich und allfällig Sehstörungen. Typische Zeichen sind zylindrische Schuppen, Wimpernerkrankungen, Entzündung der Lidkante, Meibomdrüsendysfunktion, Blepharokonjunktivitis (Lid- und Bindehautentzündung) und Blepharokeratitis (Lid- und Hornhautentzündung).

Wimpernerkrankungen
Dauernder Befall der Wimpernfollikel kann zu einem irregulären und falschen Wimpernwachstum (falsche Richtung) führen. Wenn die Wimpern gegen die Hornhaut gerichtet sind, können diese auf der Hornhaut reiben und Ulcerationen verursachen.

Meibomdrüsendysfunktion
Die Blockade der Meibomdrüsenausführungsgänge führt zu einer Schwellung und Vergrösserung der Drüsen, allfällig kann es auch zu einer Infektion der Drüsen kommen. Dies führt dazu, dass das Öl aus den Drüsen nicht mehr abgegeben werden kann und der Tränenfilm einen Mangel an Öl aufweist und somit eine schlechtere Stabiltät zeigt. Zudem kann es durch die entzündlichen Reaktionen an den Meibomdrüsen zur Ausbildung von Hordeola (Urseli) oder Chalazien (Gersternkorn) kommen.

Lidrandentzündung
Die mechanische Blockade und die Immunreaktion an der Lidkante können zu einer schweren Lidkantenentzündung führen. Es besteht eine Korrelation zwischen einer Gesichtsrosacea und einer Lidrandentzündung.

Bindehautentzündung
Ohne gründliche Lidrandhygiene kann die Lidrandentzündung auf die Bindehaut übergreifen. Die Demodex verursachte Bindehautentzündung ist mittels einer konventionellen Therapie nicht behandelbar. Auch bei Kindern mit einer chronischen Bindehautentzündung, welche auf eine normale Therapie nicht anspricht, muss an einen Demodexbefall gedacht werden.

Hornhautbeteiligung
Entzündung von der Lidkante speziell von den Meibomdrüsen kann auf die Hornhaut übergehen und schwere Erkrankungen derselben verursachen.


Diagnose

  1. Krankengeschichte: Starker Verdacht bei einer chronischen, therapieresistenen Lidrand-, Bindehaut-, Hornhautentzündung im Erwachsenalter oder bei immer wieder auftretenden Chalazien bei jüngeren Patienten oder bei Wimpernfehlstellungen
  2. Spaltlampenuntersuchung: Zylindrische Schuppen an der Basis der Wimpern (typisch für verstärkten Befall)
  3. Mikroskopie: Eier, Larven und Erwachsene Milben in gezogenen Wimpern. Wie wird es gemacht:
    1. Mikroskop/Spaltlampe mit ca. 25x Vergrösserung
    2. Insgesamt acht Wimpern (zwei innen links, zwei aussen links, zwei innen rechts, zwei aussen rechts) werden mit einer Pinzette sanft entfernt und separat auf einen Objektträger gelegt. Ein Deckglas wird auf die Wimpern gelegt und am Rand des Deckglases wird etwas Salzlösung eingebracht.
    3. Zählen der Demodex
    4. Wenn eine ausgeprägte zylindrische Schuppe mit einer Wimper entfernt wurde, dann gilt folgendes Procedere: 20µl 100% Alkohol oder 0.25% Fluoresceintropfen werden an den Rand des Objektträgers gebracht. Es muss bis 20 Minuten gewartet werden, da z.T. erst dann die Milben aus der Schuppe abwandern.


Behandlung

Verschiedene Behandlungen zum Kontrollieren von Demeodexmilben sind bekannt z.B. Quecksilberoxid 1% Salbe, Pilocarpin-Gel, Schwefelsalbe und Kampferöl.
Die meisten dieser Behandlungen bedingen das Anwenden der Salbe an der Wimpernbasis über Nacht, damit die Milben, wenn sie in der Nacht aus den Wimpernfollikel auf die Haut und von Wimper zu Wimper wandern, getötet werden können. Erwachsene D. folliculorum sind aber gegen eine Vielzahl von Behandlungen (75%iger Alkohol, 10% PVP-Jod, Antibiotika wie Erythromycin oder Metronidazol) auch nach langer Einwirkzeit von 150 Minuten resistent. Mit Teebaumöl hingegen können sie dosisabhänig getötet werden. Reinigung mit Teebaumöl führt nicht nur zur Entfernung der zylindrischen Schuppen an den Wimpern, sondern führt auch dazu, dass die Milben aus den Follikeln auf die Haut wandern. Eine tägliche Reinigung mit 50% Teebaumöl und eine Lidmassage mit 5% Teebaumölsalbe kann dazu führen, dass über 4 Wochen in der Mehrzahl der Patienten die Zahl der Milben auf Null absinkt. Die zwei Behandlungen sind gleich effektiv im Reduzieren von Milben, wobei das 50% Teebaumöl die Milben eher direkt tötet und das 5% Teebaumöl den Lebenszyklus und die Vermehrung stört. Abgesehen von der Demodexausrottung führt das Teebaumöl auch zu einer dramatischen Verbesserung der Lidrand-, Bindehaut-, und Hornhautentzündung. Teebaumöl hat auch noch antibakterielle, antimykotische und antiinflammatorische Wirkungen, so dass der therapeutische Nutzen weiter reicht, als nur bis zum Abtöten der Milben.
Da die Milben oft symbiotisch mit Bakterien zusammenleben, kann eine orale Antibiotikatherapie mit Tetrcyclinen durchaus Sinn machen.


Soweit der Fachartikel.

Wichtige Anmerkung

Auch Teebaumöl selbst kann am Auge reizend wirken, im Gegensatz zur obigen Empfehlung ("50% Teebaumöl") gebe ich in meiner Praxis inzwischen erhältliche, tiefer dosierte Fertigprodukte ab.

Und weil immer wieder danach gefragt wurde: Hier noch ein paar Details.