Sonntag, 11. September 2011

Die Rolle von Demodexmilben bei der Lidrandentzündung (Blepharitis)

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung (bzw. ein Auszug) dieses Papers:
Pathogenic role of Demodex mites in blepharitis, Jingbo Liu, Hosam Sheha, and Scheffer C.G. Tseng, Curr Opin Allergy Clin Immunol. 2010 October ; 10(5): 505–510.


Einleitung

Demodexmilben (Haarbalgmilben) sind häufige Hautparasiten. Mit dem Alter nimmt die Besiedlung zu und man geht davon aus, dass im Alter von 60 Jahren in 84% und im Alter von 70 Jahren in 100% eine Besiedlung mit Demodex vorliegt. Vor allem bei Rosacea findet sich eine grosse Dichte von Demodex, aber auch bei anderen Hauterkrankungen wie z.B. Pityriasis follikulorum, periorale Dermatitis, Scabies-ähnliche Eruptionen, Gesichtspigmentationen und mehr. Die klinische Bedeutung von Demodex wird immer noch debatiert, da trotz Besiedlung keine Beschwerden bzw. keine Lidrandentzündungen auftreten.


Demodexmilben beim Menschen

Demodexmilben werden unterteilt in Demodex folliculorum und Demodex brevis. Demodex folliculorum werden vor allem in den Wimpernfollikeln gefunden. Demodex brevis finden sich tief in den Talgdrüsen und in den Meibomdrüsen, wo sie nach Talg, ihrer Hauptnahrungsquelle, suchen. Es wurde ebenfalls diskutiert, ob sich die Milben allfällig von den Epithelien der Follikel und Drüsen ernähren, was dann zu einem direkten Schaden an der Lidkante führen könnte. Der Lebenszyklus der Milben ist in etwa 14-18 Tage vom Ei zum Larvenstadium, gefolgt von 5 Tagen im Erwachsenstadium. Weibliche Demodex leben nach der Eiablage noch 5 Tage länger. Da die erwachsenen Milben nur kurz leben, ist die Paarung ein wichtiger Aspekt bei der Demodexbesiedlung. Im Weiteren haben Demodex nur eine limitierte Lebensspanne ausserhalb des Körpers. In der Behandlung von Demodex ist es somit wichtig, sowohl die Paarung als auch die Übertragung von Mensch zu Mensch zu verhindern.


Das Risiko der Demodex-Lidrandentzündung (Blepharitis)

Es gibt eine enge Korrelation zwischen der Schwere der Rosacea und einer Demodexblepharitis. Die Rosacea prädisponiert Patienten zu einer Blepharitis durch das Verstopfen der Ausführungsgänge der Talgdrüsen und der damit verbundenen Umgebungsveränderung der Haut. Andere Faktoren können ebenfalls dazu beitragen, dass sich die Milben vermehren wie z.B. Hauttyp, Sonnenexposition, Alkoholkonsum, Rauchen, Stress, scharfe und würzige Speisen als auch plötzlicher Temperaturwechsel. Da die Lider selten täglich gereinigt werden, können sich die Milben hier besonders gut vermehren und ausbreiten. Anfällig für eine Milbenausbreitung und Vermehrung sind vor allem Patienten die lokal oder systemisch immunsupprimiert sind z.B. im Rahmen einer Cortisontherapie oder anderen Immunsupressiva oder welche an einer immunsupprimierenden Erkrankung wie z.B. Leukämie oder HIV leiden.


Krankheitshergang

Die Demodex-Blepharitis kann in vordere und hintere Blepharitis unterteilt werden. Die vordere Blepharitis ausgelöst durch D. folliculorum betrifft vor allem die Wimpern und Follikel der Wimpern. Die posteriore Blepharitis ausgelöst durch D. brevis zeigt sich durch einen Befall der Meibomdrüsen (Lidkantendrüsen welche die Ölschicht des Tränenfilms bilden)

Direkter Schaden durch den Parasiten
Demodexmilben, besonders D. folliculorum, konsumieren Zellen des Haarfollikels, was zu einer Aufblähung des Haarfollikels und zu einer Lockerung oder Fehlstellung des Haarfollikels führt. Mikroverletzungen durch die Milbe können dazu führen, dass die Hautzellen um den Haarfollikel sich vermehren und verhornen. Dies wird sichtbar durch die typischen zylindrischen Ablagerungen an der Basis der Wimpern. Im Weiteren kann D. brevis mechanisch die Ausführungsgänge der Meibomdrüsen verstopfen, was zu einer Meibomdrüsendysfunktion und zu einem Öldefizit im Tränenfilm führen kann. D. brevis sitzt in der Regel tief in den Meibomdrüsen und sein Chitinpanzer kann als Fremdkörper wahrgenommen werden und in der Folge eine Entzündungsreaktion auslösen. Demodexmilden können daher auch Ursache für immer wiederkehrende Chalazien (Gersternkörner) sein.

Wegbereiter für Bakterien
Demodexmilben können eine Blepharitis auslösen, indem sie auf ihrer Oberfläche Bakterien (Streptokokken und Staphylokokken) an die Lidkante bringen. Zudem tragen sie nicht selten auch Bakterien im Körper mit, welche dann ihrerseits eine Immunreaktion (Entzündung) auslösen können.

Hypersensitivitätsreaktion
Die Proteine im Inneren der Demodexmilben, ihre Trümmer oder Abfälle, können über eine verzögerte Überempfindlichkeit oder eine angeborene Immunantwort eine entzündliche Reaktion im Wirt auslösen.


Manifestationen

Die Hauptbeschwerden eines Demodexbefalls sind Jucken, Brennen, Fremdkörpergefühl, Krusten und Rötung im Lidrandbereich und allfällig Sehstörungen. Typische Zeichen sind zylindrische Schuppen, Wimpernerkrankungen, Entzündung der Lidkante, Meibomdrüsendysfunktion, Blepharokonjunktivitis (Lid- und Bindehautentzündung) und Blepharokeratitis (Lid- und Hornhautentzündung).

Wimpernerkrankungen
Dauernder Befall der Wimpernfollikel kann zu einem irregulären und falschen Wimpernwachstum (falsche Richtung) führen. Wenn die Wimpern gegen die Hornhaut gerichtet sind, können diese auf der Hornhaut reiben und Ulcerationen verursachen.

Meibomdrüsendysfunktion
Die Blockade der Meibomdrüsenausführungsgänge führt zu einer Schwellung und Vergrösserung der Drüsen, allfällig kann es auch zu einer Infektion der Drüsen kommen. Dies führt dazu, dass das Öl aus den Drüsen nicht mehr abgegeben werden kann und der Tränenfilm einen Mangel an Öl aufweist und somit eine schlechtere Stabiltät zeigt. Zudem kann es durch die entzündlichen Reaktionen an den Meibomdrüsen zur Ausbildung von Hordeola (Urseli) oder Chalazien (Gersternkorn) kommen.

Lidrandentzündung
Die mechanische Blockade und die Immunreaktion an der Lidkante können zu einer schweren Lidkantenentzündung führen. Es besteht eine Korrelation zwischen einer Gesichtsrosacea und einer Lidrandentzündung.

Bindehautentzündung
Ohne gründliche Lidrandhygiene kann die Lidrandentzündung auf die Bindehaut übergreifen. Die Demodex verursachte Bindehautentzündung ist mittels einer konventionellen Therapie nicht behandelbar. Auch bei Kindern mit einer chronischen Bindehautentzündung, welche auf eine normale Therapie nicht anspricht, muss an einen Demodexbefall gedacht werden.

Hornhautbeteiligung
Entzündung von der Lidkante speziell von den Meibomdrüsen kann auf die Hornhaut übergehen und schwere Erkrankungen derselben verursachen.


Diagnose

  1. Krankengeschichte: Starker Verdacht bei einer chronischen, therapieresistenen Lidrand-, Bindehaut-, Hornhautentzündung im Erwachsenalter oder bei immer wieder auftretenden Chalazien bei jüngeren Patienten oder bei Wimpernfehlstellungen
  2. Spaltlampenuntersuchung: Zylindrische Schuppen an der Basis der Wimpern (typisch für verstärkten Befall)
  3. Mikroskopie: Eier, Larven und Erwachsene Milben in gezogenen Wimpern. Wie wird es gemacht:
    1. Mikroskop/Spaltlampe mit ca. 25x Vergrösserung
    2. Insgesamt acht Wimpern (zwei innen links, zwei aussen links, zwei innen rechts, zwei aussen rechts) werden mit einer Pinzette sanft entfernt und separat auf einen Objektträger gelegt. Ein Deckglas wird auf die Wimpern gelegt und am Rand des Deckglases wird etwas Salzlösung eingebracht.
    3. Zählen der Demodex
    4. Wenn eine ausgeprägte zylindrische Schuppe mit einer Wimper entfernt wurde, dann gilt folgendes Procedere: 20µl 100% Alkohol oder 0.25% Fluoresceintropfen werden an den Rand des Objektträgers gebracht. Es muss bis 20 Minuten gewartet werden, da z.T. erst dann die Milben aus der Schuppe abwandern.


Behandlung

Verschiedene Behandlungen zum Kontrollieren von Demeodexmilben sind bekannt z.B. Quecksilberoxid 1% Salbe, Pilocarpin-Gel, Schwefelsalbe und Kampferöl.
Die meisten dieser Behandlungen bedingen das Anwenden der Salbe an der Wimpernbasis über Nacht, damit die Milben, wenn sie in der Nacht aus den Wimpernfollikel auf die Haut und von Wimper zu Wimper wandern, getötet werden können. Erwachsene D. folliculorum sind aber gegen eine Vielzahl von Behandlungen (75%iger Alkohol, 10% PVP-Jod, Antibiotika wie Erythromycin oder Metronidazol) auch nach langer Einwirkzeit von 150 Minuten resistent. Mit Teebaumöl hingegen können sie dosisabhänig getötet werden. Reinigung mit Teebaumöl führt nicht nur zur Entfernung der zylindrischen Schuppen an den Wimpern, sondern führt auch dazu, dass die Milben aus den Follikeln auf die Haut wandern. Eine tägliche Reinigung mit 50% Teebaumöl und eine Lidmassage mit 5% Teebaumölsalbe kann dazu führen, dass über 4 Wochen in der Mehrzahl der Patienten die Zahl der Milben auf Null absinkt. Die zwei Behandlungen sind gleich effektiv im Reduzieren von Milben, wobei das 50% Teebaumöl die Milben eher direkt tötet und das 5% Teebaumöl den Lebenszyklus und die Vermehrung stört. Abgesehen von der Demodexausrottung führt das Teebaumöl auch zu einer dramatischen Verbesserung der Lidrand-, Bindehaut-, und Hornhautentzündung. Teebaumöl hat auch noch antibakterielle, antimykotische und antiinflammatorische Wirkungen, so dass der therapeutische Nutzen weiter reicht, als nur bis zum Abtöten der Milben.
Da die Milben oft symbiotisch mit Bakterien zusammenleben, kann eine orale Antibiotikatherapie mit Tetrcyclinen durchaus Sinn machen.


Soweit der Fachartikel.

Wichtige Anmerkung

Auch Teebaumöl selbst kann am Auge reizend wirken, im Gegensatz zur obigen Empfehlung ("50% Teebaumöl") gebe ich in meiner Praxis inzwischen erhältliche, tiefer dosierte Fertigprodukte ab.

Und weil immer wieder danach gefragt wurde: Hier noch ein paar Details.

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