Sonntag, 11. September 2011

Antiaging und Trockenes Auge

Ich bin immer auf der Suche nach neuen Ansätzen, Patienten mit Trockenem Auge zu behandeln. Nahrungsergänzung ist dabei natürlich ein zentrales Thema. Die Behandlung des Trockenen Auges mit Omega-3-Fettsäuren praktiziere ich in meiner Praxis schon seit zahlreichen Jahren und mit der Wirkung der Omega-3-Fettsäuren bin ich mehrheitlich zufrieden.
Prof. Tsubota aus Japan geht noch einen Schritt weiter, er ist überzeugt, dass das Trockene Auge mit Mitteln des Antiaging verbessert werden kann.
Ich möchte Ihnen diesen Artikel nicht vorenthalten, nicht zuletzt weil ich beim TFOS-Kongress in Florenz Prof. Tsubota habe zu diesem Thema referieren sehen/hören und er das Thema mit sehr viel Energie, sehr lebendig und sehr interessant besprochen hat…

Dieser Artikel ist eine Zusammenfassung (bzw. ein Auszug) dieses Papers:
Tsubota K, et. al: The Era of Antiaging Ophthalmology comes of Age: Antiaging Approach for Dry Eye Treatment. Ophthalmic Res 2010;44:146-154



Einleitung

In der Augenheilkunde gibt es viel alterbedingte Erkrankungen wie z.B. Katarakt, Makuladegeneration, Glaukom, Pterygium (eine gutartige Bindehautveränderung), Bindehautfalten (Bindehautchalasis), diabetische Netzhauterkrankungen, Netzhautvenenverschlüsse, hängende Oberlider (Ptosis) und Trockenes Auge. Alle diese Erkrankungen machen 80% aller Augenerkrankungen aus. Alter ist somit ein wichtiger Risikofaktor für die Entwicklung von Augenerkrankungen.
In den letzten Jahren hat die wissenschaftliche Erkenntnis zugenommen, dass die Kalorienreduktion(KR) die Lebensspanne von zahlreichen Tieren deutlich verlängern kann. Der wichtige Punkt in Bezug auf KR ist jedoch, dass auch altersbedingte Erkrankungen wie z.B. Krebs, Diabetes und/oder kardiovaskuläre Erkrankungen scheinbar verzögert oder gar behandelt werden können. Zusätzlich zur Theorie der Kalorienrestriktion gibt es auch noch die Theorie der freien Radikale welche ebenfalls eine Rolle bei Alterungsprozess spielen soll. Nach dieser Theorie können Alterungsprozesse über die Kontrolle der sogenannten „reactive oxygen species“ (ROS) beeinflusst werden.


CR Theorie

Die mittlere und maximale Lebensspanne von vielen Arten z.B. von Würmern, Nagetieren und Affen kann durch Kalorienreduktion bis zu 50% verlängert werden. Wie kommt dies? Scheinbar wirkt sich KR auf die Genexpression während des Alterns aus und führt zu einem gesünderen Leben. Bei der KR kommt es zu einer Unterdrückung des „Insulin-like“ Wachstumsfaktors/Insulinsignalen oder zur Aktivierung von Sirtuinmolekülen.


Somit führt KR zu einem besseren Gesundheitszustand und führt zu einem längeren Leben.
Da KR im Alltag schwierig zu befolgen ist, wird nach Wegen gesucht diese molekularen Effekte mittels KR-Mimetika (Mimetika = Medikamente, welche den gleichen Effekt haben, wie das ursprüngliche Produkt) zu erreichen. Mögliche KR-Mimetika sind verschiedene Arten von Polyphenolen wie z.B. Resveratrol, Quercetin und Butin. Resveratrol erhöht die Aktivität und Transkription von Sirtuins. Dieses interagiert mit verschiedenen Transkriptionsmolekülen welche den Antiaging-Effekt unterhalten. Es ist klar, dass beim Menschen die chronisch erhöhte Kalorienzufuhr über die Zeit ein Risikofaktor für verschiedene altersbedingte Erkrankungen (Diabetes, hoher Blutdruck, Herzerkrankung) ist. Gegenwärtig ist es noch nicht gänzlich geklärt, ob altersbedingte Augenerkrankungen durch KR verhindert werden können. Es scheint aber sehr wahrscheinlich zu sein.


Theorie der freien Radikale

Die Theorie der freien Radikale wurde als Hauptmechanismus des Alterungsprozesses gesehen. Die freien Radikale (ROS = reactive oxygen species) schädigen wichtige Zellmoleküle wie Proteine, Lipide und DNA. ROS werden in den Mitochondrien, im Zytoplasma und in extrazellulären Komponenten gebildet. Die Überproduktion von ROS in den Mitochondrien verkürzt das Leben von Würmern. Im Kontrast dazu kann eine Überproduktion von Superoxiddismutase (SOD) und Katalase, beides antioxidative Enzyme, die Lebenspanne von Drosophila (einer Fliegenart) und Mäusen verlängern. Die von den Mitochondrien produzierten ROS sind wichtig, nicht vernachlässigen darf man jedoch die durch Licht induzierten ROS. Der Alterungsprozess der Haut ist hauptsächlich durch Licht verursacht, ein Prozess der als „photoaging“ (Alterung der Haut durch Licht) bezeichnet wird. Beim „Photoaging“ der Haut sind ROS wesentliche Faktoren. Da Exposition zu Licht und ultraviolettem Licht Hauptrisikofaktoren für die Entwicklung einer Katarakt und einer AMD sind, könnte Photoaging ein wichtiger Prozess bei den Alterungsprozessen am Auge sein. Nach der Theorie der Freien Radikale kann eine Kontrolle der ROS den Alterungsprozess verlangsamen und auch die altersbedingten Erkrankungen unterdrücken.


KR und Augenerkrankungen

Mehrere Studien haben sich mit den Effekten von KR bei Augenerkrankungen beschäftigt. Die meisten Studien bestätigen den positiven Effekt von KR in der Pathologie von Augenerkrankungen. Obwohl das KR-Konzept noch nicht häufig in der Prävention oder in der Behandlung von Augenerkrankungen angewendet wird, scheint es Potential zu haben.
Ein anderer Ansatz ist die Anwendung von Resveratrol für die Behandlung von Augenerkrankungen. Wir haben eine Pilotstudie durchgeführt, um zu sehen welche Effekte Resveratrol in einer durch Lipopolysaccharide ausgelöste Uveitis in Mäusen hat.
Unsere Daten bestätigen, dass Resveratrol die Aktivität von Sirtuin im Auge erhöht und Entzündung in der Netzhaut unterdrückt. Auch die Leukozytenadhäsion an die Blutgefässe wurde durch Resveratrol vermindert. Gegenwärtig wenden wir Resveratrol in einem Tiermodel für Trockene Augen an. Da Entzündung ein Hauptfaktor in der Pathogenese des Trockenen Auges ist, könnte dies ein neuer Zugang für die Behandlung des Trockene Auges, neben Cyclosporin A und anderen antientzündlichen Therapien, sein.


Oxidativer Stress und Augenerkrankungen

Der Zusammenhang zwischen oxidativem Stress und Augenerkrankungen ist in der Literatur gut belegt, besonders für AMD. Die grosse, doppelblinde, prospektive Studie über altersbedingte Augenerkrankungen (AREDS) zeigte einen positiven Effekt von Antioxidantien in der Unterdrückung der AMD. AMD wird gegenwärtig als Erkrankung gesehen, welche durch oxidativen Stress als auch Entzündung ausgelöst wird. Rauchen, erhöhter Body Mass Index, Sonnenexposition, Anhäufung von Eisen, Blei oder Kadmium sind Risikofaktoren, welche einen oxidativen Stress vermuten lassen und somit in die Ursache der AMD involviert sind. Giftige Schwermetalle scheinen für den Exzess an freien Radikalen wichtig zu sein und Verbindungen zu anderen altersbedingten Augenerkrankungen liegen vor, wie z. B. erhöhte Bleiwerte bei Glaukompatienten.
In der AREDS2-Studie (die bis ca. 2014 läuft) werden zusätzlich zu den Vitamine A, C, E, Zink und Kupfer auch die Substanzen Lutein und Zeaxanthin sowie Eicosapentaen- und Doxosahexaensäure (EPA/DHA) verabreicht. Von Lutein, Zeaxanthin und EPA/DHA wird ebenfalls erwartet, dass sie antioxidativ und antientzündlich sind. Hinweise dafür gibt es bereits.
In klinischen Arbeiten konnten wir zeigen, dass Tabakrauch Entzündung verursacht und damit ROS an der Augenoberfläche entstehen könne, was wiederum ein Trockenes Auge auslöst. Tabakrauch ist ein Risikofaktor für ein Trockenes Auge, möglicherweise durch den oxidativen Stress der durch den Rauch ausgelöst wird.
Die Häufigkeit des Trockenen Auges scheint vom Konsum von EPA/DHA abhängig zu sein. Die Einnahme von EPA scheint somit hilfreich in der Behandlung des Trockenen Auges zu sein.
Auch Lactoferrin, welches antioxidativ ist, ist ein wichtiger Bestandteil der Tränenflüssigkeit. Einnahme von Lactoferrin erhöht das Tränenvolumen und verbessert die Beschwerden des trockenen Auges. Andere Eiweiße in der Tränenflüssigkeit wie z. B. Präalbumin oder Selenoproteine scheinen ebenfalls wichtig in der Kontrolle des oxidativen Stresses an der Augenoberfläche zu sein.


Persönliche Erfahrung von Professor Tsubota

Während meiner Tätigkeit am „Massachusetts Eye and Ear Infirmary“ 1985 hat man mein Trockenes Auge entdeckt. Mein Schirmer-Test war zu jener Zeit, und auch in den folgenden Jahren sowie nach meiner Rückkehr nach Japan, in beiden Augen immer 0mm. Später fand ich heraus, dass meine Basalsekretion 0mm war und meine Reflexsekretion aber irgendwie erhalten blieb. Ich habe zwar an Augenmissempfindungen gelitten, habe aber gedacht, dass dies durch eine Überanstrengung der Augen zustande gekommen sei und durch richtige Anwendung von Augentropfen verbessert werden könnte.
Diese Erfahrung und Erkrankung motivierte mich, eine "Trockene Augen"-Gesellschaft in Japan zu gründen und wissenschaftliche Tätigkeit und Lehre aufzunehmen. Ich habe autologes Serum, Gläser zur Befeuchtung der Augen und Öltropfenanwendung für die Augen entwickelt und zwar um meinen Zustand des Trockenen Auges zu verbessern. Mein Schirmertest blieb aber bei 0mm und die Irritationen blieben bestehen. In 2001 gründete ich mit Kollegen die „Japanese Antiaging Society“ und zur gleichen Zeit begann ich selber damit, mich mit „Antiaging“-Medizin zu behandeln. Ich befolgte die grundlegenden Prinzipien und praktizierte KR, Einnahme von Nahrungsergänzungen und begann Sport zu treiben, was zu einer Verbesserung meiner körperlichen Parameter führte.
Zu meiner grossen Überraschung und Freude bemerkte ich auch, dass mein Trockenes Augen sich verbessert, mein Rückenschmerz beträchtlich abnahm und mein Gedächtnis sich verbesserte. Der Schirmertest verbesserte sich ebenfalls deutlich und zeigt heute 30mm in beiden Augen. Mein Augentropfenverbrauch hat sich von 50x/Tag auf 1-2x/Tag verringert.
Die Daten aus persönlichen Erfahrungen sind immer limitiert, aber ich bin zuversichtlich, dass das Trockene Auge mit einem Antiaging-Ansatz in der täglichen Praxis behandelt werden kann.